1. Schranken und Konvergenz von Zahlenfolgen
    1. Beschränkte Zahlenfolgen
      Zahlenfolgen haben im Unterschied zu normalen Funktionen ausschließlich die natürlichen Zahlen als Definitionsbereich. Diese Einschränkung führt dazu, dass Zahlenfolgen im allgemeinen immer ein kleinstes und/oder ein größtes Zahlenfolgeglied besitzen können.
      Schranken einer Folge Betrachten wir das folgende Beispiel
      a n
       = 
      2
      4    n
       + 
      n
      2
      In der Tabelle sind die ersten zehn Glieder der Zahlenfolge berechnet. Die nebenstehende Abbildung veranschaulicht die Folge.
      n an  
      1 8,5 An der Wertetabelle und der Darstellung kann man erkennen, dass die Zahlenfolge offensichtlich nicht monoton ist.
      Das größte Glied der Folge ist in der Tabelle a1=8,5.
      Die kleinsten Glieder der Folge sind a4=a5=3.

      Es lässt sich vermuten, dass die Zahlenfolge keine Glieder besitzt, die kleiner als 3 sind. Offenbar kann die Folge diesen Wert nicht unterschreiten. Deshalb nennt man alle reellen Zahlen, die kleiner gleich 3 sind untere Schranken su.

      Ob die Zahl 8,5 tatsächlich das größte Glied der Zahlenfolge ist, kann man aus der Tabelle nicht mit Sicherheit entnehmen, denn ab a6 die Glieder der Folge wieder größer werden. Wenn es aber ein größtes Glied der Folge gäbe, wären alle reellen Zahlen, die größer gleich diesem Wert sind, obere Schranken so heißen.
      2 5
      3 3,5
      4 3
      5 3
      6 3,25
      7 3,625
      8 4,0625
      9 4,5313
      10 6,0039

      Fassen wir zusammen, welche Schlußfolgerungen wir aus dem Beispiel ziehen können.
      1. Durch Zahlenfolgen werden den natürlichen Zahlen n mit Hilfe einer Bildungsvorschrift reelle Zahlen an zugeorndet.
      2. Es ist möglich, dass es reelle Zahlen gibt die kleiner als das kleinste Glied der Zahlenfolge sind. In diesem Fall besitzt die Folge untere Schranken su.
      3. Ebenso existieren reelle Zahlen die größer sind als das größte Glied der Zahlenfolge. Diese Zahlen nennt man dann obere Schranken so.
      4. Wenn eine Zahlenfolge Schranken besitzt, dann existieren unendlich viele untere (obere) Schranken.
      Damit können wir den folgenden Satz ableiten.

      ⇒ Satz Monotonie von Zahlenfolgen
      Eine Zahlenfolge (an) heißt genau dann
      nach oben beschränkt, nach unten beschränkt,
      wenn es eine Zahl s∈R gibt, so dass für alle Folgenglieder an gilt:
      a n
         s
      a n
         s
      Man nennt die reelle Zahl s dann
      eine obere Schranke so eine untere Schranke su
      der Zahlenfolge (an).
      Eine Zahlenfolge (an) heißt genau dann beschränkt, wenn sie nach oben und nach unten beschränkt ist.
      Im Beispiel haben wir die Existenz von Schranken aus einer Wertetabelle und der grafischen Darstellung abgeleitet. Die Existenz oberer Schranken konnten wir so jedoch nicht klären. Nun stellt sich natürlich die Frage, wie man überprüfen kann, ob eine Zahlenfolge beschränkt ist. Betrachten wir dazu ein weiteres Beispiel.
      Gegeben ist die Folge (an) durch die Bildungsvorschrift
      (
      a n
      )
       = 
      ( n    5 )
      2
         5.
      Wertetabelle der Zahlenfolgeglieder a1 bis a7.
      n an Vermutung
      1 11 1. Vermutung: Die Folge ist nicht nach oben beschränkt, da die Folge ab a5 monoton wachsend ist.
      2. Vermutung: Die Folge ist nach unten beschränkt, da a5 das kleinste Glied der Zahlenfolge ist.
      2 4
      3 -1
      4 -4
      5 -5
      6 -4
      7 -1
      Um die Existenz von Schranken zu ermitteln, wenden wir den obigen Satz an, wodurch zwei Ungleichungen entstehen.
      obere Schranken mit a1 = 11
      a n
         s
      untere Schranken mit a5 = -5
      a n
         s
      ( n    5 )
      2
         5    11
      ( n    5 )
      2
         5       5   |  +  5
      n 2
         10n  +  25    5    11
      ( n    5 )
      2
         0   |  
      ( )
      n 2
         10n  +  20    11   |    11
      n    5    0   |  +  5
      n 2
         10n  +  9    0
      n    5
      n 1
         9
      n 2
         1
      ⇒ Die Ungleichung gilt für alle n mit n≥5. Also ist die Folge nach unten beschränkt mit su≥-5.
      ⇒ Die Ungleichung gilt also nur für alle n mit 1 ≤ n ≤ 9. Ab n≥10 gilt die Ungleichung nicht mehr, also kann 11 keine obere Schranke sein.  

      Trotzdem ist die betrachtete Zahlenfolge laut Definition nicht beschränkt, da sie nur untere Schranken besitzt.

      Fassen wir zusammen:

      • Es gibt Zahlenfolgen, die ein kleinstes und ein größtes Zahlenfolgeglied besitzen.
      • Diese Folgen bezeichnet man als beschränkt.
      • Eine beschränkte Zahlenfolge hat immer unendlich viele Schranken.
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    2. Konvergenz von Zahlenfolgen und Grenzwerte
      Der Begriff der Konvergenz hängt eng mit der Existenz von Schranken zusammen und soll am Beispiel der Zahlenfolge (an) = 24-n erklärt werden. In der Lektion Monotonie von Zahlenfolgen haben wir nachgewiesen, dass die Folge streng monoton fallend ist. Daraus folgt,dass die Folge nach oben beschränkt ist, denn a1 = 8 ist das größte Glied der Zahlenfolge. Deshalb gilt: so ≥ 8.
      Da die Folge monoton fallend ist, werden die Glieder der Zahlenfolge immer kleiner. Wenn wir jedoch einige Glieder der Zahlenfolge berechnen, erhalten wir unter anderem folgende Ergebnisse. mit der kleinen Rechenhilfe kann man auch noch weitere Glieder der Zahlenfolge bis n=99 berechnen.
      a 10
       = 
      2
      4    10
          1,56  · 
      10
         2
      a 20
       = 
      2
      4    20
          1,53  · 
      10
         5
      a 30
       = 
      2
      4    30
          1,49  · 
      10
         8
      n =  

      Betrachten wie die Ergebnisse im Beispiel, so erkennen wir, dass die Glieder der Zahlenfolge zwar tatsächlich immer kleiner werden, die Zahl Null jedoch niemals unterschreiten. Die Zahlenfolgeglieder nähern sich nur immer dichter an Null an. Deshalb gilt su ≥ 0. Die Zahl Null ist offenbar die größte untere Schranke, sie ist selbst aber kein Glied der Zahlenfolge.
      Dieses Verhalten der Zahlenfolge bezeichnet man als Konvergenz. Die Zahl Null, an die sich die Zahlenfolge annähert, heißt in diesem Fall Grenzwert der Zahlenfolge.

      Um die Begriffe exakt zu erklären, soll die notwendigen Begriffe zunächst definiert werden.

      ⇒ Definition Konvergenz
      Eine Zahlenfolge, die einen Grenzwert besitzt, heißt konvergent . Zahlenfolgen ohne Grenzwert nennt man divergent.
      ⇒ Satz Grenzwert
      Eine Zahl g heißt genau dann Grenzwert einer Zahlenfolge an, wenn in jeder ε-Umgebung von g unendlich viele Glieder der Folge liegen, aber außerhalb nur endlich viele, d.h. wenn für alle an die Ungleichung |an - g| < ε gilt.
      ⇒ Definition ε-Umgebung
      Ist g eine beliebige Zahl und ε eine beliebige (kleine) positive reelle Zahl, so nennt man das offene Intervall Uε(g)=]g-ε ; g+ε[ die ε-Umgebung der Zahl g.
      Diese Definitionen sind eigentlich gar nicht so schwer zu verstehen, wenn man versucht, sich das Problem zu veranschaulichen. Fangen wir mit der letzten Definition an und betrachten unsere Beispielfolge (an) = 24-n. ε-Umgebung

      ε-Umgebung

      Zur Festlegung einer ε-Umgebung benötigen wir zunächst zwei Zahlen: g und ε. Da wir diese Zahlen beliebig wählen können, wollen wir zwei Beipiele verwenden.
      1. Beispiel: g = 2 und ε = 0,5 .
      2. Beispiel: g = 0 und ε = 0,5
      Nun bilden wir die in der Definition beschriebenen offenen Intervalle und erhalten:
      1. Beispiel: U0,5(2) = ]2-0,5; 2+0,5[ = ]1,5; 2,5[
      2. Beispiel: U0,5(0) = ]0-0,5; 0+0,5[ = ]-0,5; 0,5[
      In der Abbildung sind die beiden ε-Umgebungen ebenfalls farbig hervorgehoben.

      Grenzwert
      Betrachten wir die blau dargestellte ε-Umgebung. Wir erkennen, dass Zahlenfolgeglied a2 in diesem Bereich liegt. Alle Vorgänger, aber auch alle Nachfolger liegen außerhalb dieses Streifens. Es gibt also nur endlich viele an innerhalb der ε-Umgebung, aber unendlich viele außerhalb. Deshalb ist die Zahl 2 kein Grenzwert.

      Anders verhält sich das bei der rot dargestellten ε-Umgebung. Offensichtlich liegen ab a5 alle Glieder der Zahlenfolge in diesem Bereich. Wir haben weiter oben auch noch a10 a20 und a30 berechnet haben, die auch noch innerhalb des Streifens liegen. Deshalb können wir annehmen, dass alle Glieder der Zahlenfolge ab a5 innerhalb der ε-Umgebung. Es gibt also nur endlich viele an aßerhalb der ε-Umgebung, aber unendlich viele innerhalb. Deshalb ist die Zahl 0 Grenzwert der Zahlenfolge.

      Konvergenz
      Die letzte Definition ist nun auch kein Problem mehr. Die Zahlenfolge (an) = 24-n. hat den Grenzwert g=0. Deshalb ist diese Folge konvergent.

    3. g-Bestimmung

      Bleibt noch zu klären, wie man auf diese Grenzwerte kommt. Um die Zahl g abzuschätzen, kann man eine Wertetabelle verwenden. In unserem Beispiel war gut zu erkennen, dass sich die Glieder der Zahlenfolge dem Wert Null annähern. Der Nachweis erfolgt dann mit Hilfe der ε-Umgebung, wobei man den Zahl ε stets kleiner als 1 wählen sollte.
      Der rechnerische Nachweis erfolgt durch Lösen der Ungleichung der Grenzwertdefinition, wobei auf die Betragsstriche zu achten. Das folgende Beispiel zeigt die Berechnung für beide vermuteten Werte von g.

      Vermutung 1: g = 2 mit ε = 0,5
      |2
      4    n
         2|<ε
      Fall 1: an - g < ε Fall 2: - (an - g ) < ε
      Das ist im Bild der Bereich oberhalb der schwarzen gestrichelten Linie. Das ist im Bild der Bereich unterhalb der schwarzen gestrichelten Linie.
      2
      4    n
         2
      < 0,5 | +2
      2
      4    n
      < 2,5
      4 - n <
      log 2
        2,5
      | +n
      4 < 1,32 + n | -1,32
      2,68 < n
        
      (
      2
      4    n
         2 )
      < 0,5 | ⋅(-1)
      2
      4    n
      > -0,5 | +2
      2
      4    n
      > 1,5
      4 - n >
      log 2
        1,5
      | +n
      4 > 0,58 + n | -0,58
      3,42 > n
      Ergebnis: Es existiert nur eine natürliche Zahl die beide Ungleichungen erfüllt: n = 3.
      ⇒ g = 2 ist kein Grenzwert der Zahlenfolge (an).
      Vermutung 2: g = 0 mit ε = 0,5
      |2
      4    n
         0|<ε
      Fall 1: an - g < ε Fall 2: - (an - g ) < ε
      2
      4    n
      < 0,5
      4    n   <  
      log 2
        0,5
      4 < -1 + n | +1
      5 < n
        
      (
      2
      4    n
      )
      > 0,5
      |  · 
      (    1 )
      2
      4    n
        >    0,5
      4    n   >  
      log 2
       
      (    0,5 )
      ⇒ nicht definiert
      Ergebnis: Die Ungleichung gilt für alle natürliche Zahlen n mit n > 5
      ⇒ g = 0 ist Grenzwert der Zahlenfolge (an).

      Weitere Beispiele berechnen wir in den Beispielaufgaben zu dieser Lektion. Sollte das Lösen der Ungleichungen für den einen oder anderen nicht ganz so einfach gewesen sein, kann man auf den Seiten Gleichungen und Beträge genaueres nachlesen.

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